LOSLASSEN
- Antje Rother
- 7. Mai 2020
- 2 Min. Lesezeit
Ich habe schon vor einiger Zeit ein Schild gemalt, damit ich es mir in die Stube hängen kann, ist leider nicht fertig geworden! Loslassen, ich soll loslassen, das raten die Ratgeber und schlauen Bücher, das legen mir meine Lieben ans Herz und ich weiß es ja auch. Das Loslassen hat mich hierher gebracht und ich bin schon viele Schritte weiter als vor einem halben Jahr. Es tut nicht mehr so dolle weh, eine Schutzschicht bildet sich über meine Wunden, die Verzweiflung ist durchgestanden, es tun sich neue Wege auf und ich kann mir zumindest vorstellen, wie es weiter geht und gut werden kann. Aber dann packt mich wieder durch eine Begegnung oder Begebenheit, die sich wie Ohrfeigen anfühlen, die wilde Wut. Mir wird der freche Diebstahl meines Familienbusses bewusst, den ich mit meinem Vater gekauft habe, wenn ich mal wieder versuche, Kinder, Gepäck und Einkauf in das Auto einzustapeln und überlege, ob eines meiner Kinder die Fahrt mit einem Kasten Getränke auf dem Schoß übersteht. Oder ich auf das Haus schaue, das von den Mitteln, dem Material und der Kraft meiner Freunde, meiner Familie ausgebaut wurde für die Familie und die Kinder. Und die liebreizende Gaukler-Schwester flüstert mir ins Ohr, ob ich wirklich so blöd bin und geglaubt habe, dass der Gaukler sein Wort hält. Ich erinnere mich an meinen schönen Garten, den er von den Schafen abfressen lassen hat, fahre am Gasthof vorbei, dessen Fassade ich mit meiner Arbeit bezahlt habe, in den so viel Energie aus meiner Familie geflossen ist und den ich noch nicht mal betreten darf, um meine Sachen abzuholen. Die Illusion ist geplatzt, in mir springen das gekränkte Ego, das mikrobenkleine Selbstwertgefühl und das verletzte Herz Hand in Hand ums Feuer und schüren meine Wut. Ja, es ist verloren, es ist vergangen, es ist nicht zu ändern. Ja, ich lasse los, ich schwöre! Es ist ja mein Motto für dieses Jahr, das Loslassen – verdammte Scheiße!
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